Warum Afrikas Böden heilen müssen und was das mit unserer gemeinsamen Zukunft zu tun hat
Wenn du ein Stück Erde in die Hand nimmst, hältst du mehr Leben, als du dir vorstellen kannst. In einem einzigen Teelöffel gesunder Erde leben mehr Lebewesen, als es Menschen auf diesem Planeten gibt – winzige Pilze, Bakterien, Wurzeln und Insekten, die Tag und Nacht daran arbeiten, die Erde fruchtbar zu machen.
Doch in vielen Regionen der Welt ist diese Erde krank geworden. Nicht nur in Afrika. Auch in Europa, in Asien, in Amerika.
Unsere Böden sind ausgelaugt, übersäuert, versiegelt, vergiftet. Wir haben sie behandelt wie Maschinen, nicht wie Lebewesen. In Deutschland ist inzwischen fast jeder zweite Ackerboden degradiert. In Spanien breitet sich Wüstenboden aus, in Frankreich verliert der Boden jährlich Millimeter an fruchtbarer Schicht.
Und überall dort, wo Böden sterben, sterben auch Hoffnung, Artenvielfalt und Ernährungssicherheit.
Die FAO warnt: „Ein Drittel der weltweiten landwirtschaftlichen Flächen gilt heute als degradiert, mit massiven Folgen für Klima, Wasser und Ernährungssicherheit.“
FAO, Status of the World’s Soil Resources, 2022
Doch Afrika steht im Zentrum dieser Geschichte – nicht, weil es das größte Problem hat, sondern weil es die größte Chance trägt.
Warum Afrika entscheidend ist, für sich selbst und für Europa
Afrika ist der jüngste Kontinent der Erde, reich an Sonne, Wasser, fruchtbarem Land und menschlicher Kreativität. Mehr als 60 Prozent der ungenutzten fruchtbaren Böden der Welt liegen in Afrika. Das bedeutet: Hier entscheidet sich, ob die Landwirtschaft der Zukunft regenerativ oder zerstörerisch wird. Wenn Afrika seinen eigenen Weg geht, weg von chemischer Abhängigkeit, hin zu lokaler Ernährungssouveränität und regenerativen Märkten –, verändert das nicht nur Afrika, sondern auch Europa. Denn die Zukunft Europas hängt enger mit Afrika zusammen, als viele wahrhaben wollen. Unsere Ernährungssysteme, unsere Märkte, unsere Migration, unser Klima, alles ist miteinander verwoben.
Das World Resources Institute Africa schreibt „Afrikas Ernährungssysteme stehen vor sinkender Produktivität, hauptsächlich aufgrund schlechter Bodengesundheit, verursacht durch Nährstoffverluste, Erosion und niedrigen Humusgehalt.“ WRI Africa, Food Systems Strategy 2024 – 2027
Wenn Böden in Afrika weiter erodieren, betrifft das globale Lieferketten, Handelsbeziehungen und soziale Stabilität. Wenn sie dagegen regenerieren, entstehen regionale Märkte, stabile Einkommen und ein Puffer gegen Klima-Migration. Ein Bericht des europäischen REVIVER Project fasst es so: “Regenerative Landwirtschaft in Europa und Subsahara-Afrika verbessert die Bodenqualität, die Ernährungssicherheit und die Klimaresilienz auf beiden Kontinenten.“ REVIVER Project, 2024
Afrikas Regeneration ist also keine entfernte Vision, sondern eine menschheitliche Aufgabe. Und sie ist Europas Chance, seine Beziehung zu Afrika neu zu gestalten – auf Augenhöhe, im Austausch von Wissen, nicht von Abhängigkeit.
Die wahren Held:innen – Bäuerinnen und Bauern Afrikas
Mehr als zwei Drittel aller Menschen in Afrika leben direkt oder indirekt von der Landwirtschaft. Die meisten bewirtschaften kleine Felder, oft nicht größer als ein Fußballfeld. Sie arbeiten mit bloßen Händen, mit uraltem Wissen, mit Samen, die ihre Großeltern schon genutzt haben.
Sie sind die Hüter:innen der Erde, die wahren Expert:innen für Kreisläufe, Vielfalt und Balance.
Doch sie stehen unter Druck: Die Böden geben weniger her, das Klima verändert sich, Regenzeiten verschieben sich, und die Preise auf den Märkten bleiben ungerecht. Die Alliance for Food Sovereignty in Africa (AFSA) sagt dazu: “Afrika braucht keine industrialisierte Landwirtschaft, sondern ein tief verwurzeltes System lokaler Ernährungssouveränität – basierend auf Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit und bäuerlichem Wissen.“ AFSA Policy Paper 2023
Was heißt eigentlich „Boden regenerieren“?
Wenn wir sagen, dass wir die Böden heilen wollen, meinen wir: Wir wollen der Erde unterstützen, wieder zu atmen. Regeneration bedeutet, dass der Boden wieder lebendig wird, dass er Wasser speichern kann, Regenwürmer zurückkehren, Pflanzenvielfalt wächst und der Wind die obere Schicht nicht mehr wegbläst. Das passiert, wenn wir den Boden nicht mehr ständig umgraben, wenn wir Mischkulturen anbauen, organisches Material zurückgeben, Bäume integrieren, Tiere gezielt weiden lassen, und wenn wir wieder zuhören, was die Natur braucht. Regenerative Landwirtschaft funktioniert mit der Natur, nicht gegen sie.
Der WWF beschreibt sie als Praxis, die „Humus aufbaut, Biodiversität wiederherstellt und gleichzeitig den Wasserkreislauf stabilisiert.“ WWF International, 2024
Der große Aha-Moment: CO₂, Kohlenstoff und der Boden
Viele glauben, dass nur Bäume CO₂ aus der Luft holen. Aber auch Böden können das und zwar in gewaltigem Ausmaß. Pflanzen atmen CO₂ ein, verwandeln es durch Sonnenlicht in Zucker, Blätter und Wurzeln. Ein Teil dieses Kohlenstoffs gelangt in den Boden, wo er als Humus oder organische Masse gespeichert bleibt.
Und genau dieser Kohlenstoff war vorher als CO₂ in der Luft. Wenn er im Boden bleibt, hilft er, die Erde fruchtbar zu machen und das Klima zu schützen. Ein Kilo gespeicherter Kohlenstoff bedeutet, dass 3,67 Kilo CO₂ aus der Atmosphäre verschwunden sind – einfache Chemie, riesige Wirkung.
Der Carbon Brief schreibt: „Die Ernährung von 8,2 Milliarden Menschen hängt von gesunden Böden ab. Über ein Drittel der weltweiten Agrarflächen gilt inzwischen als degradiert.“ Carbon Brief, 2023
Wissenschaftler:innen schätzen, dass, wenn weltweit alle landwirtschaftlichen Böden regenerativ bewirtschaftet würden, bis zu drei Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr im Boden gebunden werden könnten, etwa so viel, wie die EU jährlich ausstößt.
Warum Regeneration nur funktioniert, wenn Märkte gerecht sind
Wenn Bäuerinnen und Bauern weiter gezwungen sind, ihre Ernte zu Dumpingpreisen zu verkaufen, bleibt Regeneration ein schönes Wort aber keine Realität. Ein gesunder Boden braucht auch gesunde Märkte. Wenn das, was auf den Feldern wächst, fair bezahlt wird, wenn Menschen ihre Produkte selbst verarbeiten und vermarkten können, wenn sie Zugang zu Wissen, Technologie und Kapital haben, dann entsteht ein Kreislauf, der alle nährt. Ohne Gerechtigkeit gibt es keine Regeneration. Und ohne Regeneration keine Gerechtigkeit. Beides gehört zusammen wie Regen und Erde.
MOTHERLAND 2035 – 50 000 Bäuerinnen und Bauern für die Zukunft
Bis 2035 wollen wir mit 50 000 Bäuerinnen und Bauern in Afrika zusammenarbeiten, ihre Böden zu regenerieren, ihre Märkte zu stärken und ihre Gemeinschaften zu entfalten.
Das ist keine Statistik. Das sind Menschen. Fünfzigtausend Hände, die die Erde neu berühren. Fünfzigtausend Familien, die Hoffnung pflanzen. Fünfzigtausend Stimmen, die zeigen: Es geht auch anders. Wir arbeiten mit Partnern wie PeachStone AI, Rhea Soil Health und eProd Solutions, um Wissen, Technologie und faire Märkte miteinander zu verbinden. Wir schaffen Räume, in denen sich Erfahrung, Innovation und Verantwortung begegnen, digital, lokal und menschlich. Denn die Bäuerinnen und Bauern und deren Böden sind nicht das Ende einer Lieferkette. Sie sind der Anfang von allem.

Die Erde will leben und wir auch
MOTHERLAND ist nicht nur ein Projekt, sondern eine Bewegung. Eine Bewegung, die sagt: Wir können die Dinge gemeinsam anders machen. Wir können Böden wieder aufbauen, Menschen stärken, Märkte umgestalten, wenn wir beginnen, die Welt wieder als lebendiges Ganzes zu sehen. Wenn Böden in Afrika heilen, wirkt sich das auf den gesamten Planeten aus: auf das Klima, auf die Ernährung, auf das Gleichgewicht der Systeme Nicht weil Afrika die Welt retten soll, sondern weil alles miteinander verbunden ist.


